AlpSenseRely

Früherkennung von Naturgefahren

Alpine Naturgefahren im Zusammenhang mit dem Klimawandel stellen eine erhebliche Bedrohung für alpine Gemeinden, Infrastruktur, Bewohner, Touristen und die lokale Wirtschaft dar. Die Fähigkeit, mit ihnen umzugehen und sich vor ihnen zu schützen, ist eine zentrale Herausforderung für alpine Gemeinden und andere Stakeholder in der nahen Zukunft.

 

3D RealityMaps ist an einem neuen Forschungsprojekt zur Vorhersage und Analyse klimabedingter Naturgefahren in den Alpen beteiligt. Das Projekt AlpSenseRely wird für einen Zeitraum von 3 Jahren durch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz gefördert.

AlpSenseRely soll einen wichtigen Beitrag zur Früherkennung von Risiken und aufgrund des präventiven Charakters zur Reduktion von Schäden und damit verbunden Kosten leisten. AlpSenseRely fokussiert sich auf ein Real-Time Monitoring von kritischen Objekten in dicht besiedelten Gebieten der Alpen.

 

Dazu wurden vier repräsentative Testregionen im kritischen Bereich der Ostalpen zwischen 2000-3000 m Höhe ausgewählt, da hier die Auswirkungen des Klimawandels am deutlichsten sind. Der Anstieg der Permafrostgrenze und der starke Rückzug von Gletschern führt häufig zu Steinschlag und Hangrutschungen, die die lokale Bevölkerung und die touristische Infrastruktur gefährden.

Partner in dem Verbundprojekt sind das GeoBio-Center und das Department für Geo- und Umweltwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), die Ingenieurfakultät Bau Geo Umwelt und die Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie der Technischen Universität München (TUM) sowie die Bayerische Akademie der Wissenschaften mit dem Institut für Erdmessung und Glaziologie.

Im Verbundprojekt ist 3D RealityMaps für die multi-temporale Analyse von sehr hoch aufgelösten Luft- und Drohnenbildern und Geländemodellen verantwortlich. Weiter entwickelt 3D RealityMaps ein Near Real-Time WebGIS und eine 3D-Visualisierungssoftware für die Analyse und webbasierte Darstellung für den optimalen Informationstransfer mit den beteiligten Anwendern

Multiskaliges Monitoring am Hochvogel

Der Hochvogel (2.592 m) liegt in den Allgäuer Hochalpen, Deutschland/Österreich. Der pyramidenförmige Gipfel, der früher ein beliebtes Wanderziel war, ist seit 25. September 2014 wegen Steinschlaggefahr und damit Lebensgefahr für Wanderer und Bergsteiger von der österreichischen Seite aus gesperrt.

Das besorgniserregendste Merkmal auf dem Gipfel ist ein fünf Meter breiter und dreißig Meter langer Bruch, der derzeit mit einem Frühwarnsystem überwacht wird, das von Partnern bei TUM-Landslides entwickelt und implementiert wurde. Eine Reihe von drahtlosen Sendeinstrumenten überwacht kontinuierlich die Öffnung der Haupt- und Nebenrisse am Gipfel. Die Echtzeitanalyse ermöglicht es, einen Anstieg der Öffnungsraten zu erkennen und die lokalen Gemeinden zu alarmieren.

Ein Zusammenbruch des Gipfels könnte die umliegenden Täler betreffen. Eine durch einen Bergsturz verursachte Zunahme der Sedimentproduktion erhöht die Häufigkeit und das Ausmaß von Murgängen, die den Jochbach erreichen und stauen könnten. Am Südwesthang des Hochvogels wurde vom 9. bis 11. August 2016 ein Felssturz von ca. 131.328 m³ gemeldet.

 

Um den massiven Sedimenttransport, der auf das Klippenereignis folgte, besser zu verstehen, untersuchte das Team der LMU und der RealityMaps GmbH die Zeitreihen von hochauflösenden, großflächigen Luftbildern. Die Photogrammetrie ermöglicht die Rekonstruktion von Höhen des Oberflächengeländes aus Bildern. Mit den Höhenmodellen (DSM) können Veränderungen der topografischen Oberfläche beobachtet und quantifiziert werden.

Seit 2009 finden jährlich hochauflösende UAV-Vermessungen am Gipfel des Hochvogels statt. 

Dabei werden zwei Flugpläne verfolgt.

Zuerst fliegen wir auf Gipfelhöhe und blicken auf das Nadir, um uns einen Überblick über den gesamten Gipfel zu verschaffen. Anschließend führten wir manuelle Rundflüge um den Gipfel mit Schrägblick parallel zum Hangwinkel durch, um die vertikale Topographie besser zu rekonstruieren.

Die photogrammetrische UAV-Rekonstruktion ermöglicht es uns, kleine Felsstürze entlang des Südwesthangs zu identifizieren und daraus Muster oder aufeinanderfolgender Steinschläge abzuleiten. Letztere könnten auf Bereiche hinweisen, in denen denen Spannungen entstehen, die schließlich zu Felsstürzen im größeren Maßstab führen können. 

 

Diese Muster können als Frühwarnung von Deformationen verwendet werden. Sie unterstützen auch die Lokalisierung neuer Messinstrumente zur Verbesserung des derzeit auf dem Gipfel installierten Frühwarnsystems.

Erdrutsch am Hechendorfer Berg

Der Erdrutsch am Nordhang des Hechendorfer Bergs ist die größte Massenbewegung in Deutschland, die bei der Reaktivierung im Jahr 2016 fast 1 Mio. m³ im angrenzenden Wald unterhalb des Erdrutsches und im angrenzenden Murnauer Moos abgelagert hat.

 

Der Beginn der Bewegung lässt sich zeitlich nicht exakt einordnen, aber alte Dokumente berichten von kleinen Hangbewegungen in 1939/1940. Mündliche Aussagen von Gemeindemitgliedern und Anwohnern besagen, dass am Hechendorfer Berg im letzten Jahrhundert erhebliche Hangbewegungsaktivitäten beobachtet wurden. Die letzte Reaktivierung im vergangenen Jahrzehnt begann im Mai 2015, als ein Murgang die Verbindungsstraße Grafenaschau-Eschenlohe erreichte.

Zugspitze – Gletscherrückgang und Schneehöhen

Die Analyse von Zeitreihen von Luftbildern seit 2009 zeigte eine dramatische Veränderung der Gletscher Schneeferner und Höllentalferner an der Zugspitze, dem höchsten Gipfel Deutschlands mit 2.962 m ü. NN. Mit photogrammetrischen Verfahren berechnen wir den Volumenverlust der Gletscher schätzen Schneeveränderungen zwischen Sommer und Winter und identifizieren das Auftreten von Hanginstabilitäten.

Das Monitoringprogramm wird bis 2024 Veränderungen im Landschaftsbild des Zugspitzplatzes und der umliegenden Hänge melden.

Die Quantifizierung der Unterschiede in der Schneehöhe zwischen Sommer und Winter ist von großer Bedeutung, um die zukünftige Wasserversorgung für den alpinen Raum zu verstehen.

 

Mit einem ultraleichten, mit Solarenergie betriebenen Flugzeug überwachen wir die Veränderungen im Sommer und Winter 2022. Eine kontinuierliche Überwachung der jahreszeitlichen Veränderungen am Schneeferner ist von größter Bedeutung, um die Auswirkungen des Schnees als Faktor für die alpine Wasserversorgung zu ermitteln.

Der Gletscherschwund ist das klarste Zeichen für einen Temperaturanstieg in Hochgebirgsregionen. Zeitreihen von Luftbildern sind eine wertvolle Informationsquelle über das dekadische Rückzugsverhalten von Alpengletschern.

 

Der Schneeferner hat fast 2,9 Mio. m³ an Gesamtvolumen verloren, während der Höllentalferner in den letzten zehn Jahren um mehr als 2,7 Mio m³ an Volumen verloren hat. 

 

Die maximale vertikale Abnahme ist je nach Gletscher unterschiedlich. Die Höhenveränderungen am Schneeferner sind durch anthropogene Einflüsse stark eingeschränkt. 2009 wurde im oberen Teil des Schneeferners ein Schneespeicher errichtet, der derzeit eine maximale Änderung von ca. -24 m aufweist. Dagegen konzentrierten sich die maximalen Höhenänderungen am Höllentalferner auf die Nordzunge mit ca. -41 m.

Differenz 2009 - 2020

Gletschermonitoring in den Zillertaler Alpen

Alpine Lanschaften unterliegen einem ständigem Wandel. Jedes Jahr werden neue Landschaftsformen wie Gletscherseen oder Ablagerungen von Hangrutschungen gemeldet. Die frühzeitige Identifizierung der Gebiete mit den stärksten Veränderungen in der Landschaft (Hotspots) ist von größter Bedeutung, um die zukünftigen Naturgefahren zu erkennen und widerstandsfähige Gemeinschaften zu schaffen.

 

Wir haben Zeitreihen von Luftbildern seit 2013 bis 2019 analysiert, um die relevantesten Veränderungen in der Landschaft zu identifizieren und ihre Morphodynamik und Beziehung zu möglichen zukünftigen Naturgefahren zu untersuchen.

Blockgletscher sind ausgeprägte geomorphologische Landformen, die aus gefrorenem, kantigem Gesteinsschutt bestehen, der den Wasserhaushalt eines Gebiets beeinflussen kann. Blockgletscher bewegen sich durch Verformung des in ihnen enthaltenen Eises hangabwärts, wobei ihre Oberfläche der von Gletschern ähnelt. 

 

Daher verwenden wir Zeitreihen von Luftbildern, um die Bewegungsgeschwindigkeit von Blockgletschern zu quantifizieren und die Rolle klimatischer Schwankungen bei ihrer Entwicklung zu identifizieren. Eine erhöhte Verdrängungsgeschwindigkeit von Blockgletschern könnte zu einer Gefährdung der tieferen Lagen führen, wenn die Trümmer besiedelte Gebiete erreichen.

In den Zillertaler Alpen sind verschiedene Arten von Hanginstabilitäten zu beobachten. 

 

Erstens lässt der Gletscherrückgang Moränenablagerungen ungestützt zurück und das Auftauen des Permafrosts führt zu Schutt- und Lössströmen.

 

Zweitens führen erhöhte Gletscherraten zu einer höheren Wasserverfügbarkeit für mobilisierte Sedimente in Flüssen, was zu einer erhöhten Erodierbarkeit führt. Flussufer können erodiert werden, wodurch Erdrutsche entstehen.

Gletschermonitoring in den Ötztaler Alpen

Bis 2024 findet am Vernagtverner ein skalenübergreifendes Monitoringprogramm in Kooperation mit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW) statt. Anhand von Zeitreihen von Luftbildern seit 2009 können wir die Massenbilanz des Gletschers abschätzen und mit in-situ Messungen von Schneeverlust, Auslauf und Temperaturänderung korrelieren

oetztal_hochjochferner_09_bis_21
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Der schnelle Rückzug der Gletscher in den Ötztaler Alpen bringt neue Landschaften und Landformen wie periglaziale Seen zum Vorschein.

 

Die sich bildenden Seen stellen eine latente Gefahr im Zusammenhang mit einem möglichen Überlaufen und einer daraus resultierenden Überschwemmung tiefer gelegener Gebiete dar. Deshalb werden wir die Entwicklung neuer Seen in den Gletschergebieten bis 2024 mit einer Vielzahl von Fernerkundungstechniken überwachen.

Der Gletscherrückgang im Ötztal wird anhand von Höhenunterschieden aus Luftbildaufnahmen seit 2019 quantifiziert.


Die Zeitreihenanalyse zeigt einen raschen Rückgang, der zu einer Instabilität des umgebenden Moränenmaterials führte.